Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen

Direkt zum Seiteninhalt

Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen

Autor und Texter Lutz Sehmisch
Veröffentlicht von Lutz Sehmisch in Gewalt und Krieg · Dienstag 28 Feb 2023
Der Jahrestag des Ukrainekrieges hat uns allen unsere Ohnmacht vor Augen geführt:

Die Welt liefert Waffen – es ändert sich nichts.

Die Christen halten Friedensgebete – es ändert sich nichts.

Die Großen dieser Welt appellieren – es ändert sich nichts.

Die Medien berichten – es ändert sich nichts.

Die Gesprächspartner in den täglichen Talkshows diskutieren – es ändert sich nichts.

Die Kriegsgegner demonstrieren, die Kriegsbefürworter demonstrieren – es ändert sich nichts. Russland setzt seinen Krieg unvermindert fort.

Ohnmacht ist schwer auszuhalten. Wir setzen unsere Aktivitäten dagegen: Karneval feiern, Konsumieren, Räsonieren, Schuldige suchen, Stammtischparolen brüllen. So täuschen wir uns über unsere Ohnmacht hinweg. Am wenigsten suchen wir die Ursachen bei uns selbst – und deswegen ändert sich nichts.

Am Aschermittwoch hat die Passionszeit begonnen, der Leidensweg Jesu.
Er hat etwas geändert, indem er seine Ohnmacht angenommen hat:
nicht zurückgeschlagen, sich nicht verteigt, seinen Anhängern die Waffen verboten, sein Kreuz auf sich genommen, die Spirale der Gewalt durchbrochen.
Am Ende hat er den Preis selber bezahlt, mit seinem Leben, ist er für seine Freunde und für seine Feinde in den Tod gegangen. Ist er gescheitert?

Wir aber wollen, dass trotz des Krieges alles so weitergeht wie bisher, keine Preissteigerung, keine Energiereduzierung, keine Sicherheitsbeeinträchtigung, kein Stellenabbau, keine Einschränkung irgendeiner Freiheit. Und dafür investieren wir Milliarden, die wir in unserem Leben nicht mehr bezahlen müssen, sondern erst unsere Enkel und Urenkel. Keiner will den Preis selbst bezahlen.

Und unsere Kirche, die sich seit Aschermittwoch wieder angeschickt hat, Jesus auf seinem Leidensweg zu begleiten, seine Nachfolger zu sein? Sie befürwortet die „rechtserhaltende Gewalt“ und ist damit weit von ihrem Ursprung abgewichen.

Wie kann Kirche glaubwürdig in dieser Kriegssituation bleiben?

Der russische Patriarch Kyrill von Moskau spricht gar von einem „heiligen Krieg“, mit dem das heilige Russland sich gegen den dekadenten, amoralischen Westen verteidigt.
Beim Zerfall der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges sprachen die Kirchen in Ost und West noch ganz anders von „Schuld und Vergebung“, von „Wahrheit und Aufrichtigkeit“, um neue Wege für ein nachbarschaftliches Miteinander zu eröffnen. Es kann und darf nicht Aufgabe der Kirche sein, Feindbilder zu schüren und „heilige Kriege“ auszurufen. Der Weltrat der Kirchen hat 1948 die Einsicht formuliert: „Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein“ und 2022 den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine als „illegal und nicht zu rechtfertigen“ erklärt.

Wann ändert sich etwas an diesem grausamen Geschehen? Wann wird Frieden?

Wenn Christen anfangen, Christen zu sein und dem Beispiel Jesu zu folgen:

die Millionen orthodoxen Christen in Russland, zu denen angeblich auch Wladimir Putin gehört,

die Millionen Christen in der Ukraine, deren Verteidigung auch Krieg ist,

die Millionen Christen in Europa, die Waffenlieferungen als Solidarität und Nächstenliebe verstehen,

die Millionen Christen in den USA, die eine Politik der Härte und Überlegenheit unterstützen.

Erst wenn sie alle, wenn wir alle dem Beispiel Jesu folgen, der zu seinem Jünger gesagt hat: „Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“, und bereit sind, dafür einen hohen Preis, vielleicht sogar den höchsten zu zahlen, dann wird sich etwas ändern nach einem Jahr blutigen Krieges in der Ukraine. Sind wir dazu bereit?

Giselher Quast; Domprediger i.R. am 25.Februar 2023 in der Volksstimme Magdeburg



Es gibt noch keine Rezension.
0
0
0
0
0

Zurück zum Seiteninhalt