So einfach gerät man unter Spionageverdacht

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So einfach gerät man unter Spionageverdacht

Autor und Texter Lutz Sehmisch
Veröffentlicht von Lutz Sehmisch in Politik · Freitag 02 Sep 2022
Die “Zeit” berichtete dieser Tage über einen angeblichen Spionagefall im deutschen BMWi (Betonung liegt auf angeblich). Ich finde den geschilderten Vorgang so vielsagend wie erschütternd – aber (leider!) sehr gut passend in die heutige Zeit mit ihrer Verdachtsberichterstattung, Cancel Culture und Russophobie.
„Der Verfassungsschutz geht einem brisanten Verdacht nach: Zwei leitende Beamte in Robert Habecks Ressort könnten für Moskau spioniert haben (…).
Der Sachverhalt war Habeck nicht neu. Denn laut “Zeit” hat das Ministerium selbst den Verfassungsschutz eingeschaltet. “Es geht um einen bitterbösen Verdacht”, schreibt die “Zeit” und schildert die Angelegenheit so: Im Frühjahr hätten sich Habecks Vertraute an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gewandt und um Amtshilfe gebeten. Denn in internen Papieren bezüglich der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2, des Füllstands der deutschen Gasspeicher und des Berichts über die Versorgungssicherheit Deutschlands waren sie auf Ungereimtheiten gestoßen.
Viele Unterlagen, so heißt es, hätten nur so von Verständnis für die russische Sicht getrieft, auffällig sei gewesen, dass die Argumentation in den Papieren oftmals nicht zur offiziellen Linie der deutschen Regierung gepasst habe. Bei allen großen Diskussionen des Winters, die sich um das Thema Gaslieferungen drehten, hätten die für das Thema zuständigen Ministerialbeamten eine Position eingenommen, die “meilenweit” von der politischen Linie ihres Ministers abgewichen sei: bei der Entscheidung, Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen; bei Gazprom Germania, das von Habeck im April unter treuhänderische Verwaltung gestellt wurde; oder bei der milliardenschweren Rettung des Gasversorgers Uniper. Von “Obstruktion” sei in der Bundesregierung die Rede.
Die Wochenzeitung schreibt, die Verfassungsschützer hätten die Lebensläufe der verdächtigen Beamten daraufhin überprüft und seien auf “biografische Auffälligkeiten” gestoßen, in einem Fall etwa einen Studienaufenthalt in Russland. Sie seien Reisebewegungen nachgegangen und hätten kontrolliert, ob Flüge ausschließlich dienstliche Hintergründe hatten oder ob es womöglich suspekte Abstecher gegeben habe. Und sie hätten sich private Freundschaften angeschaut.”
Danach sei von einer “emotionalen Nähe zu Russland” die Rede gewesen. Allerdings hätten sich dann im Fall der beiden Ministeriumsbeamten doch “bisher keine handfesten Beweise gefunden, dass es sich um einen Fall von Spionage oder auch Korruption handelt”.

Ich finde es sehr denkwürdig, wenn a) Beamte der Ministerien offensichtlich nur die Meinung der Regierung und des eigenen Ministers vertreten dürfen. Wo bleibt da der Diskurs verschiedener Meinungen, die letztendlich zu einer mehrheitlichen Meinung führen? Und b) finde ich es sehr denkwürdig, wenn private Freundschaften und private emotionale Nähe zu Russland einen Spionageverdacht auslösen.
Solch einen Vorgang musste ich leider am eigenen Leib erfahren, als ich 1979 mich in Untersuchungshaft des MfS befand. Auch dort wurde mir Spionage unterstellt, auch dort wurde, völlig aus der Luft gegriffen, behauptet ich hätte "...staatsfeindliche Kontakte zum Klassenfeind..." unterhalten. Leider nehme ich heute immer mehr Vorgänge war, die sehr nah unserer Geschichte sind und alle schon einmal da waren.


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