Lesen gegen das Vergessen

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Lesen gegen das Vergessen

Autor und Texter Lutz Sehmisch
Veröffentlicht von Lutz Sehmisch in Literatur · Donnerstag 11 Mai 2023
Bilder zum folgenden Beitrag unserer fotografischen Begleiterin Anne König findet ihr unter hier Facebook


Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, das Literaturhaus Magdeburg und der Verein "Miteinander" luden gestern zu einer Veranstaltung anläßlich des 90. Jahrestages der Bücherverbrennung durch die Nazis  am 10. Mai 1933 auf den Erhard-Hübner-Platz ein. Zahlreiche Gäste wohnten dieser Veranstaltung bei, welche durch Sabine Dirlich eröffnet wurde. Moderator war David Schliesing und die Magdeburger Musiker Frank Schöpke und Martin Rühmann umrahmten die Lesungen musikalisch. Als Lesende traten auf: Charlotte Buchholz, Hans-Günther Pölitz, Pascal Begrich, Eva von Angern, Lars Johansen, Johann Voss (Gesang/Gitarre), David Blass, Lutz Sehmisch, Anita Bader und Conny Ribbentrop, Ammar Awaniy,
Herbert Beesten, Dr. Mieste Hotopp-Riecke, Katharina Schaare, Frank Brehmer. Dank geht ebenso an: Sabine Dirlich, Sarah Thäger, Roland Claus und der Buchhandlung Fabularium für die technische Unterstützung.

Ich habe folgenden Text gelesen:
Manchmal wiederholt sich Geschichte doch.
 
In Hermann Hesses Buch „Krieg und Frieden“ finde ich Texte, die er während und nach der beiden Weltkriege verfasst hat. Es sind, Friedensmanifeste, verzweifelte Rufe nach Verhandlungen, Schreie nach Frieden.
 
Hermann Hesse trat nicht offen gegen das NS-Regime auf, sein Werk wurde auch nicht offiziell verboten oder „verbrannt“, dennoch war es ab 1936 „unerwünscht“.
 
Seine Gedanken passen auch auf den Wahnsinn des aktuellen Ukraine-Kriegs, obgleich die Ausgangslagen sehr unterschiedlich sind: Damals war Deutschland der Aggressor, heute Russland.
 
Für diese bedrückende Aktualität steht sein Essay von 1917 (Zitat) „Ihre Rede war formgewandt, …. Sie sagte, … dass man zwar … nichts sehnlicher wünsche als einen Frieden, …– dass aber „der Augenblick für Verhandlungen“ noch nicht gekommen sei, und dass man … zunächst einmal tapfer weiter Krieg führen müsse. (…) Ihre Rede … bedeutet, in kurzen Worten, einige zehntausend neue Menschenopfer.“
 
In unserem Kulturbetrieb geschehen seit Kriegsbeginn Dinge, die ich nicht für möglich gehalten hätte – sie passieren überall, auch hier in Deutschland: Künstler, Schriftsteller, Tänzer, Sänger, Pianisten, Maler, Orchester, Musik-Bands werden ausgeladen, weil sie verdächtigt werden, Putin und Russland zumindest moralisch zu unterstützen. Sie werden ausgeladen, ihre Werke werden aus Bibliotheken und Museen verbannt.
 
Nichts Neues im Westen, nichts Neues im Osten.
 
Klassiker wie Tolstoi und Tschechow, Puschkin und Dostojewski wurden in der Ukraine aus den Lehrplänen entfernt. Die Direktorin des Ukrainischen Buch-Instituts erklärte, dass mehr als 100 Millionen Exemplare von „Propaganda-Büchern“ aus den öffentlichen Bibliotheken aussortiert werden müssen. Nicht nur Klassiker, auch Bücher, die nach 1991 veröffentlicht wurden, sollen „konfisziert“ werden. Dies betrifft auch Kinderbücher, Liebes- und Kriminalromane.
 
 
Was da geschieht, ist die Wiederaufführung eines Stücks, von dem ich gehofft hatte, es ist Geschichte.
 
Wie lange noch?
 
Schon Hesse war entsetzt und fragte verzweifelt:
 
„Aber wir anderen, wir Dichter, Künstler und Journalisten – kann es unsere Aufgabe sein, das Schlimme zu verschlimmern, das Hässliche und Beweinenswerte zu vermehren?“
 
Und heute? Wie lange noch?
 
Nicht diese Töne, nicht schon wieder!
 
 
In Mitteldeutschland haben viele Angst, zu ihrer Meinung zu stehen. Sie sagen, man müsse bei manchen Themen vorsichtig sein und dass bestimmte Meinungen tabu sind.
 
Ich nenne es: Ausgegrenzt und abgekanzelt – Das Ende der Diskussionskultur.
 
 
Inzwischen erscheinen auch in Deutschland Neuausgaben ganzer Buchreihen ohne Begriffe und Referenzen, die heutzutage als anstößig empfunden werden könnten.
 
 
Der rbb zensierte Udo Jürgens Lieder und entfernte Passagen, die dem offiziellen Sprachgebrauch von Politik und Mainstream nicht entsprachen.
 
 
Mit der Änderung und Verfälschung künstlerischer Werke fängt es an, womit wird es enden?


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